Das Ende der zeitnahen Mittelverwendung?

Der Referentenentwurf des BMF vom 10. Juli 2024

Unter der Rubrik „Artikel 9 – Weitere Änderung der Abgabenordnung“ heißt es ganz lapidar:

„§ 55 Abs. 1 Nr. 5 wird aufgehoben.“

Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Abschaffung der zeitnahen Mittelverwendung zu einem wesentlichen Bürokratieabbau führt. Die gemeinnützigen Körperschaften müssen künftig keine Mittelverwendungsrechnungen mehr erstellen, weil es für die Gemeinnützigkeit nicht mehr von Bedeutung ist, ob die Mittel innerhalb einer bestimmten Zeit verwendet wurden. Auch erübrigt sich hierdurch in den allermeisten Fällen die Frage, mit welchen Mitteln bestimmte Wirtschaftsgüter angeschafft und wie sie eingesetzt wurden. Nach geltendem Recht führt eine Nutzungsänderung, die einen Sphärenwechsel vom ideellen in einen gewerblichen Bereich bewirkt, zum Wiederaufleben der zeitnahen Mittelverwendungspflicht. Die für die Anschaffung verwendeten Mittel müssen dann „wieder“ verwendet werden, obwohl sie in dem noch vorhandenen Wirtschaftsgut bereits gebunden sind.

In Folge soll auch die Regelung zur Rücklagenbildung in § 62 AO entfallen, da die gemeinnützigen Organisationen konsequenterweise keine Rechenschaft mehr darüber ablegen müssen, warum sie abweichend von der Mittelverwendungspflicht ausnahmsweise ihre Mittel „parken“.

Die Auswirkungen

Sollte der Referentenentwurf in diesem Punkt inhaltlich unverändert im Gesetzgebungsverfahren verabschiedet werden, sind die Folgen für gemeinnützige Organisationen durchaus relevant, aber vielleicht doch nicht ganz so weitreichend wie auf den ersten Blick zu vermuten ist. Zumal die Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung Ende 2020 schon für kleinere Organisationen mit Gesamteinnahmen bis zu EUR 45.000 gesetzlich beendet wurde.

Die Abschaffung der zeitnahen Mittelverwendungspflicht beinhaltet nicht die Abschaffung des Grundsatzes, dass die Mittel ausschließlich für steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden müssen. § 56 AO bleibt also bestehen. Das bedeutet aber, dass gemeinnützige Körperschaften ihre Mittel weiterhin ausgeben müssen, denn die Investition in eine thesaurierende Vermögensanlage ist keine gemeinnützige Mittelverwendung. Damit stellen sich neue Fragen. Mit welchem zeitlichen Anlagehorizont darf eine Vermögensanlage erfolgen? Wann ist davon auszugehen, dass Mittel (am Ende noch) für steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden? Was bedeutet das für die Rechnungslegung? Dürfen die Organisationen zukünftig Gewinne einfach unbegrenzt vortragen? Spielt die vierjährige steuerliche Festsetzungsverjährung zukünftig eine größere Rolle für die Frage, ob eine Organisation ihre Mittel satzungsmäßig verwendet?

Wenn ein Spender eine ausdrückliche Zweckbindung vorsieht oder ein öffentlicher Zuschuss unter bestimmten Auflagen gezahlt wird, ändert sich ohnehin nichts am bestehenden Zustand. Auch wird weiterhin eine Sphärentrennung notwendig sein, um nachzuweisen, dass die ideellen Bereiche nicht die gewerblichen Bereiche durch einen unzulässigen Verlustausgleich subventionieren.

Sollte das Gesetz in der vorgeschlagenen Form verabschiedet werden, werden die Regelungen ab dem 1. Januar 2025 in Kraft treten. Der Gesetzgeber wäre gut beraten die Zeit zu nutzen, um den im Kern begrüßenswerten Ansatz inhaltlich noch etwas nachzuschärfen.

Anja Knoop - Rechtsanwältin, Steuerberaterin & Partnerin

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