In der heutigen Ausgabe wollen wir uns mit einem Thema beschäftigen, das seit über 20 Jahren latent durch die Fachwelt wabert und sich bis heute einer bemerkenswerten Zweigleisigkeit erfreut: die Frage, ob Mitgliedsbeiträge in Personenvereinigungen -gemeinnützig oder steuerpflichtig- der Umsatzsteuer unterliegen oder nicht. Die Debatte ist in jüngster Zeit wieder belebt worden durch ein Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts, welches zu entscheiden hatte, ob Mitgliedsbeiträge eines Sportvereins umsatzsteuerbar und möglicherweise umsatzsteuerbefreit sein können (FG Niedersachsen vom 10. Januar 2023, 11 K 147/22, Revision anhängig).
Die Grundsatzfrage: Leistungsaustausch oder nicht
Bei Leistungen von Personenvereinigungen, die der Erfüllung des Satzungszwecks dienen, aber zugleich ihren Mitgliedern einen Vorteil verschaffen, stellt sich stets die Frage, ob mit diesen Leistungen ein Leistungsaustausch im Sinne des Umsatzsteuerrechts begründet wird. Ein umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch liegt grundsätzlich nur dann vor, wenn einem individualisierbaren Leistungsempfänger ein verbrauchsfähiger Vorteil zugewendet wird. Dabei ist unklar, wie konkret der Vorteil bestimmt sein muss.
Die Position der Finanzverwaltung
Die Sichtweise der Finanzverwaltung zu dieser Frage weicht seit über 20 Jahren von der Sichtweise der EU- und nationalen höchstrichterlichen Rechtsprechung ab. Die Finanzverwaltung geht grundsätzlich von der Nichtsteuerbarkeit von Mitgliedsbeiträgen aus, soweit es sich um „echte Mitgliedsbeiträge“ handelt, die der Vereinigung dazu dienen, die satzungsmäßigen Gemeinschaftsaufgaben im Interesse aller Mitglieder zu erfüllen (UStAE Ziff. 1.4. Abs. 1). Demgegenüber sollen Leistungen, die den Sonderbelangen einzelner Mitglieder dienen, einen Leistungsaustausch begründen. Interessant ist die praktische Handhabung durch die Finanzverwaltung, die in den meisten Fällen der Mitgliederbeiträge pauschal von „echten Mitgliedsbeiträgen“ ausgeht, sofern nicht im Umkehrschluss eindeutig Sonderleistungen eingekauft werden (z.B. Trainingseinheiten mit einem Trainer gegen Sonderzahlung). Die satzungsmäßigen Gemeinschaftsaufgaben werden also sehr weit verstanden.
Die Position der Rechtsprechung
Demgegenüber geht der EuGH seit 2002 (EuGH-Urteil vom 21. März 2002, „Kennemer Golf & Country Club“) davon aus, dass Mitgliedsbeiträge, die den Mitgliedern einen Vorteil verschaffen, grundsätzlich steuerbar und ggfs. steuerpflichtig sind. Im diametralen Gegensatz zu der Finanzverwaltung wird also die Vorteilsverschaffung weit gefasst und nicht von einer konkreten tatsächlichen Nutzung des Angebots abhängig gemacht. Allein die abstrakte Möglichkeit, z.B. Sportanlagen zu nutzen, falle demnach unter den Leistungsaustausch. Für den nicht steuerbaren Bereich bleiben damit nur wenige Dinge, wie die Möglichkeit, das Vereinsleben über die Mitgliederversammlungen mitzugestalten.
Das Urteil des FG Niedersachsen
Der Fall des FG Niedersachsen ist exemplarisch für die Fälle, die überhaupt einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden: Ein Sportverein hatte in der Vergangenheit seine Mitgliedsbeiträge als nicht steuerbar behandelt. Mit der Neuanlage eines Kunstrasenplatzes entstanden dem Verein in kurzer Zeit hohe vorsteuerbelastete Kosten. Daraufhin kam der Verein im Jahr der Umsatzsteuer-Sonderprüfung auf die Idee, die Mitgliedsbeiträge steuerbar und steuerpflichtig einzustufen und den Vorsteuerabzug geltend zu machen. Das Finanzamt beurteilte die Mitgliedsbeiträge ebenfalls als steuerbar, jedoch auf Grundlage von § 4 Nr. 22b UStG als steuerbefreit. Der Fall wurde schließlich vor dem Finanzgericht entschieden, da beide Seiten ein erhebliches fiskalisches Interesse an der Entscheidung hatten und im Zuge der Umsatzsteuer-Sonderprüfung keine Einigung erzielen konnten. Das Finanzgericht Niedersachsen schloss sich der Auffassung der Finanzverwaltung in einem lesenswerten Urteil an mit der Begründung, dass auch Mitgliedsbeiträge Teilnehmergebühren im Sinne von § 4 Nr. 22b UStG sein könnten, wenn hierdurch den Mitgliedern nicht nur der Zugang zu den Sportanlagen gewährt wird (das allein wäre nicht steuerbefreit), sondern auch mit organisatorischen Maßnahmen des Vereins für einen geregelten Spielbetrieb verbunden ist. Dadurch war dem Verein der Vorsteuerabzug jedenfalls insoweit versagt, wie der Kunstrasenplatz nicht ausnahmsweise für steuerpflichtige Veranstaltungen genutzt wurde. Das Verfahren ist in Revision beim BFH unter dem Aktenzeichen V R 4/23 anhängig.
Fazit
Aus diesem Verfahren kann man verschiedene Erkenntnisse gewinnen. Zunächst ist die umsatzsteuerliche Behandlung der von Personenvereinigungen erhobenen Mitgliedsbeiträge auch heute noch weitgehend gestaltbar. So kann beispielsweise ein steuerpflichtiger Verein, dessen Mitglieder Unternehmer und damit vorsteuerabzugsberechtigt sind, durchaus ein Interesse daran haben, dass die Mitgliedsbeiträge als umsatzsteuerbar und -pflichtig eingestuft werden. Den vorsteuerabzugsberechtigten Mitgliedern wird es auf einen Beitrag zuzüglich Umsatzsteuer nicht ankommen und der Verein kann seinerseits den vollen Vorsteuerabzug geltend machen. Wenn sich eine Personenvereinigung dafür entscheidet, die Gebührenerhebung so zu strukturieren, dass ein Leistungsaustausch entsteht, sollte man aber auch die Gefahr im Blick haben, die sich im Fall des FG Niedersachsen verwirklicht hat, dass nämlich der Leistungsaustausch bejaht wird, die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs aber dennoch verwehrt wird. Diejenigen, die sich für die Nicht-Steuerbarkeit entschieden haben, sollten den weiteren Verfahrensverlauf im Blick behalten. Es ist gut möglich, dass der BFH das Urteil des FG Niedersachsen bestätigt und die Finanzverwaltung sich schließlich doch entscheidet, den Anwendungserlass zur Umsatzsteuer anzupassen. Dann entfiele weitgehend die Grundlage für nicht umsatzsteuerbare Mitgliedsbeiträge.