Umsatzsteuerfreiheit von Bildungsleistungen – ein Dauerbrenner

Was ist das Problem?

Das Problem ist, dass seit vielen Jahren der Begriff der „Bildung“ in §§ 4 Nr. 21 und 22 UStG nicht ausreichend definiert ist und das EU-Recht nicht ausreichend in nationales Recht umgesetzt wurde.

Zunächst fallen die Anforderungen an den Erbringer von Bildungsleistungen auseinander. Während nach EU-Recht Einrichtungen des öffentlichen Rechts und „andere Einrichtungen mit …. vergleichbarer Zielsetzung“ befreit sind, stellt das nationale Recht auf die „unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen [ab], wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten“, sowie auf „die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer an anerkannten allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen“. Erkennbar verfolgen die beiden Rechtsordnungen hier eine unterschiedliche Systematik.

Auch die Bildungsleistungen selbst sind nicht deckungsgleich beschrieben, die Schnittstellen sind aber deutlich größer als bei den Leistungserbringern. So gehen beide Rechtsordnungen im Kern davon aus, dass der Schul- und Hochschulunterricht, die berufliche Aus- und Fortbildung sowie die berufliche Umschulung von der Umsatzsteuerbefreiung profitieren sollen. Welche Leistungen im Einzelnen betroffen sind, ist wiederum Gegenstand zahlreicher Urteile gewesen. Dabei ist die Beurteilung von Bildungsangeboten in der Berufsaus- und Fortbildung weniger umstritten als die Anforderungen an den Schul- und Hochschulunterricht. Besonders heikel ist die Abgrenzung zwischen Leistungen im schulischen Kontext und der reinen Freizeitgestaltung, vgl. das EuGH-Urteil zum Schwimmunterricht (EuGH-Urteil vom 21. Oktober 2021 – C-373/19).

Angesichts der unvermeidbar anstehenden nationalrechtlichen Neuregelung sieht die Finanzverwaltung keine Veranlassung, sich zwischen die Stühle zu setzen und die eine oder andere Sichtweise in den Umsatzsteuer-Anwendungserlass zu übernehmen. Die Bildungsunternehmen müssen daher derzeit abwägen, welche Rechtsordnung für sie günstiger ist, wobei die Anwendungspraxis gezeigt hat, dass die Finanzverwaltung sich nur ungern auf Analysen der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie einlässt.

Was ist die Lösung?

Die EU-Kommission sieht die Lösung offenbar in der Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland wegen unzureichender Umsetzung der EU-Richtlinie. Es ist zu vermuten, dass das vom BFH eingereichte Vorabentscheidungsersuchen zum Schwimmunterricht (siehe oben) das Fass zum Überlaufen gebracht hat, denn man fragt sich zurecht, warum ausgerechnet jetzt ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wird, nachdem die Umsetzung seit vielen Jahren unzureichend war.

Der deutsche Gesetzgeber sieht die Lösung offenbar darin, der EU-Kommission zuvor zu kommen und jetzt in einem dritten Anlauf den § 4 Nr. 21 UStG anzupassen. Der Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz 2024 vom 27. März 2024 sieht eine wortgetreue Übernahme der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie in das deutsche Recht vor. Wie in den Vorversionen bleiben allerdings ein paar Unschärfen erhalten, die möglicherweise einiges Konfliktpotential in sich tragen. So sollen nach der Begründung auch diesmal wieder nur Umsatzsteuerbefreiung von Fortbildungsleistungen an die Eigenschaft der leistungserbringenden Einrichtungen geknüpft sein.

Demnach sind Fortbildungsleistungen nur dann befreit, wenn sie von Einrichtungen erbracht werden, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben, die Leistungen der Ausbildung und beruflichen Umschulung hingegen nicht. Schon in den letzten Durchgängen fragten die Bildungsunternehmen, ob sie dann eine gesonderte Buchhaltung für den Fortbildungsbereich aufbauen müssten. Das Bescheinigungsverfahren, wonach nicht die Finanzämter, sondern die Bildungsbehörden über die Bescheinigung der Bildungsleistungen zu entscheiden hatten, soll auch dieses Mal wieder entfallen. Ob das zu mehr Rechtssicherheit führt, wird in Fachkreisen zumindest hinterfragt.

Fazit

Es bleibt nun abzuwarten, wie § 4 Nr. 21 UStG zukünftig tatsächlich formuliert wird. In jedem Fall wird unterstellt, dass die Neuregelung mit großzügigen Übergangsfristen versehen wird. Wünschenswert wäre in jedem Fall, dass diese dritte Chance genutzt wird, die Schwächen der Vorgängerversionen auszubessern.

Anja Knoop - Rechtsanwältin, Steuerberaterin & Partnerin

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