Der EuGH hat sich mit Urteil vom 11. Juli 2024 erfreulich schnell und deutlich dem Schlussantrag des Generalsanwalts angeschlossen und entschieden, dass Innenleistungen innerhalb der umsatzsteuerlichen Organschaft nicht steuerbar sind. Damit bleibt es bei der bestehenden Rechtslage.
Das Urteil
Der EuGH hat mit Urteil vom 11. Juli 2024 – C-184/23 die Steuerbarkeit von Innenleistungen abgelehnt.
Als Begründung weist der EUGH darauf hin, dass Mitgliedstaaten nach dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-RL (jetzt Art. 11 MwStSystRL) die verbundenen Personen als „einen Steuerpflichtigen“ behandeln können. Wenn sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, können die Mitglieder dieser Organschaft nicht außerhalb der Organschaft stehen. Die zwangsläufige Folge ist, dass es an einer Leistung fehlt, da es keine zwei Beteiligte gibt. Eine Leistung an sich selbst ist keine Leistung im umsatzsteuerlichen Sinn.
Dieses Ergebnis gilt auch unabhängig davon, ob die leistungsempfangende Organgesellschaft zum Vorsteuerabzug berechtigt ist oder nicht. Der EuGH stellt klar, dass sich aus seiner Sicht die potentiellen fiskalischen Verluste nicht aus den Regelungen zur Mehrwertsteuergruppe (dem EU-rechtlichen Pendant zur umsatzsteuerlichen Organschaft), sondern aus den Vorschriften zum Vorsteuerabzug ergeben. So besteht auch bei anderen Unternehmen, die nicht organschaftlich verbunden sind, die Gefahr eines Steuerverlustes, wenn Unternehmensteile nicht oder nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt sind.
Die Rechtsfolgen
Materiell-rechtlich hat das Urteil des EuGH erfreulicherweise keine Auswirkungen. Die umsatzsteuerliche Behandlung von organschaftlichen Innenleistungen bleibt unverändert. Durch das Urteil schafft der EuGH nunmehr Rechtssicherheit für diejenigen Unternehmensgruppen, die von einer Steuerpflicht der Innenleistungen besonders betroffen wären. Dabei handelt es sich insbesondere um Unternehmen mit steuerfreien Ausgangsumsätzen nach §§ 4 Nr. 8 bis 29 UStG (Banken, Versicherungen, Krankenhäuser, Pflegeheime, Altenheime usw.).
Im konkreten Verfahren muss der BFH nunmehr das EuGH-Urteil anwenden und das nationale Verfahren damit hoffentlich beenden.
Der Stand der umsatzsteuerlichen Organschaft
Die umsatzsteuerliche Organschaft war in letzter Zeit mehrfach Gegenstand von höchstrichterlichen Verfahren. EuGH und BFH haben zuletzt entschieden, dass Deutschland den Organträger selbst als einzigen Steuerpflichtigen der Organschaft vorsehen darf und damit die Grundkonstellation der deutschen Ausgestaltung der umsatzsteuerlichen Organschaft EU-rechtskonform ist. Der BFH hat ferner entschieden, dass Personengesellschaften auch dann Organgesellschaften sein können, wenn der Organträger die Personengesellschaft nicht zu 100 % beherrscht (BFH-Urteil vom 16. März 2023 – V R 14/21). Mit diesem letzten Urteil des EuGH vom 11. Juli 2024 dürfte materiell-rechtlich nun erstmal Ruhe einkehren.
Weiterhin regelungsbedürftig bleibt allerdings die praktisch wichtige verfahrensrechtliche Frage, wie und wann eine umsatzsteuerliche Organschaft begründet wird. Derzeit geschieht dieses faktisch in dem Moment, in dem die Tatbestandsvoraussetzungen der Organschaft vorliegen. Ein Wahlrecht besteht nicht. Das bedeutet sowohl für die Steuerpflichtigen als auch für die Finanzverwaltung einen Zustand der Rechtsunsicherheit, da den Beteiligten häufig nicht bewusst ist, dass sie sich bereits seit einiger Zeit in einer Organschaft befinden. Um Abhilfe zu schaffen, kursieren verschiedene Reformvorschläge wie beispielsweise für die Einführung eines Antragsverfahrens, das mit einem Feststellungsbescheid abgeschlossen wird. Da jetzt grundlegende Fragestellungen geklärt sind, besteht die Hoffnung, dass sich der Gesetzgeber wieder mit diesen Vorschlägen befasst und ein anwenderfreundlicheres Regime auf den Weg bringt.