Die wesentlichen Punkte des BMF-Schreibens
Das BMF hat sich die Mühe gemacht, die höchstrichterliche Rechtsprechung der letzten Jahre zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Bildungsleistungen zusammenzutragen. Bedeutung erlangt diese Arbeit dadurch, dass sämtliche dort zitierten Urteile nunmehr in das Bundessteuerblatt übernommen und dadurch von der Finanzverwaltung anerkannt werden sollen.
Im Übrigen wird der Umsatzsteuer-Anwendungserlass in den entscheidenden Passagen vollkommen neu strukturiert und enthält Definitionen von Schul- und Hochschulunterricht einerseits und Aus- und Fortbildung sowie beruflicher Umschulung andererseits. Die neue Systematik ist der Neufassung des § 4 Nr. 21a) UStG geschuldet.
Für digitale Bildungsangebote bleibt es dabei, dass interaktive Kurse im Live-Stream umsatzsteuerfrei sind, während reine Streaming-Angebote und automatisierte Onlineübungen nicht unter die Steuerbefreiung fallen sollen.
Die Dauer der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung für eine eventuelle Befreiung soll unerheblich sein. Eine steuerfreie berufsbildende Leistung kann somit auch im Rahmen von Tagesveranstaltungen oder Vortragsreihen erfolgen.
Auch zu den eng verbundenen Umsätzen finden sich erstmals Ausführungen im BMF-Schreiben. Demnach muss sowohl die Bildungsleistung als auch die damit eng verbundene Leistung von einer in § 4 Nr. 21a) UStG genannten Einrichtungen erbracht werden. Der eng verbundene Umsatz muss außerdem zur Ausübung der Bildungsleistung unerlässlich sein. Der eng verbundene Umsatz darf nicht im Wesentlichen dazu bestimmt sein, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb zu steuerpflichtigen Tätigkeiten gewerblicher Unternehmer stehen. Dafür reicht es nicht bereits aus, wenn als Gegenleistung lediglich eine Kostenerstattung erfolgt.
Das BMF liefert eine sehr praxisrelevante Abgrenzung von Privatlehrern zu selbständigen Lehrern (=Honorarkräfte). Der Privatlehrer muss die Unterrichtsleistungen in eigener Person, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung erbringen. Ein Lehrer, der im Verhinderungsfall Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung hat, wird nicht für eigene Rechnung tätig und kann damit nicht als Privatlehrer angesehen werden. Auf eigene Verantwortung wird die Unterrichtstätigkeit dann erbracht, wenn der Privatlehrer das Lehrkonzept selbst bestimmt. Das gilt unabhängig davon, ob das Thema oder ein Lehrplan vorgegeben sind. Kein Privatlehrer ist ein Unternehmer, der als selbständiger Lehrer Bildungsleistungen im Rahmen von Verträgen mit Bildungseinrichtungen an diese Einrichtungen erbringt, weil nicht er, sondern die Bildungseinrichtung, an der er Unterricht erteilt, die Unterrichtsleistung an die Teilnehmer erbringt.
Die Kritik des Steuerberaterverbands
Neben ein paar handwerklichen Mängeln (wie die falsche Zitierung von BFH-Urteilen) kritisiert der Steuerberaterverband vor allem fehlende Übergangsfristen und Unklarheiten im Umgang mit den neuen Regelungen, die das BMF-Schreiben (noch) nicht bereinigen konnte. So fehle die systematische Begründung dafür, dass nur solche digitalen Bildungsleistungen umsatzsteuerfrei sein sollen, die unter das Fernunterrichtsgesetz fallen. Fraglich ist auch, ob sich die Befreiung auf zugelassene Anbieter oder zugelassene Angebote bezieht. Auch sei nicht klar, was „festliegende Lehrprogramme und Lehrpläne“ beinhalten müssen, um den Unternehmer zu einem „Träger einer Bildungseinrichtung“ zu machen.
Vor allem kritisiert die Stellungnahme aber Mängel im Bescheinigungsverfahren. Es bleibt nach der Gesetzesänderung dabei, dass eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde die materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerfreiheit von Bildungsleistungen ist. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Finanzbehörden eine Prüfung immer noch selbständig anstoßen können, ist nicht klar. Auch ist mit der Erweiterung des Bescheinigungsverfahrens auf Angebote der beruflichen Fortbildung nicht mehr erkennbar, welche Landesbehörde zuständig ist. Denkbar wäre z.B. die Zuständigkeit von Gesundheitsbehörden für medizinische Fortbildungen. Ferner ist der Inhalt der Bescheinigung offen. Gerade bei Fortbildungen ist nicht klar, wie genau die Bildungsleistung beschrieben werden muss und ob die Behörden die Qualifikation von Dozenten und Lehrmaterial überprüfen müssen.
Fazit Die Voraussetzungen für die Umsatzsteuerfreiheit von Bildungsleistungen sind nach Änderung der Rechtsgrundlagen in § 4 Nr. 21a) UStG alles andere als geklärt. Es ist zu befürchten, dass sich auf Grund dessen die Bearbeitung von Bescheinigungsanträgen ab 2025 weiter in die Länge ziehen wird. Dadurch sind die Anbieter von Bildungsleistungen einer erheblichen Rechtsunsicherheit ausgesetzt. Die Folge bei einer rückwirkend anderen Beurteilung als angenommen wäre, dass sowohl die Bildungsanbieter als auch ihre Honorarkräfte ihre Rechnungen gegenüber den jeweiligen Leistungsempfängern nachträglich berichtigen müssten. Auch dürften Korrekturen beim Vorsteuerabzug unausweichlich sein. Die wirtschaftlichen Folgen erscheinen für alle Beteiligten unverhältnismäßig und würden zu einer politisch eigentlich nicht gewollten Verteuerung von Bildungsleistungen führen. Es bleibt zu hoffen, dass das BMF sein Anwendungsschreiben noch einmal überarbeitet und diesen Problemen Rechnung trägt.